Ich bin 11 Jahre alt. Nichtschwimmer. Und hilfebedürftig. Das alles bin ich in "Jozi" (wie die Einheimischen sagen). Und das ist okay. Denn die Menschen, die ich hier treffe, heben das
"Sich-Kümmern" auf ein ganz neues Level.
Ich habe hier in nullkommanix gelernt, um Hilfe zu bitten, und jede Form der Führung und Unterstützung anzunehmen. Einfach mal rausgehen und sich treiben lassen, nenee, is hier nicht. Das
war doch ganz schnell klar, als ich in meiner ersten Unterkunft in Edenvale - ein mit Security abgeschotteter Wohnbereich im Nordosten von Johannesburg - angekommen bin. Jedes Haus für
sich ein kleines "Fort Knox". Elektrozäune und Stacheldraht, Kameras und Alarmanlagen, "Armed Response"-Schilder und, zugegebener Maßen, meistens nicht ganz so furchteinflößende
Wachhunde. Nicht gerade "Picked Fences". Aber das ist nur ein Teil meines ersten Eindrucks bei der Ankunft.
Kaum ist das Hostel in Edenvale betreten, strömt mir eine ehrliche, herzliche und warme Gastfreundschaft entgegen. Das "Braai", ein bei südafrikanischen Farmern typisches BBQ, ist schnell
organisiert. Und ich, ursprünglich Vegetarier, knabbere genüsslich an Lamm-Keulen. Denn ich habe wohl schon gespürt, dass hier irgendwie alles anders läuft. Der erste Abend war bereits
voller Information mit Konfliktpotenzial. Über Religion, Geschichte, Chancengleichheit, Kronzeugenverstecke (ja!), Waffen und natürlich "black and white people". Ich habe das Gefühl nur
den Hauch einer Ahnung zu haben, was es mit den Themen auf sich hat. Es wird noch dauern, bis ich das besser verstehe. Ebenso wie die Regeln von Rugby.
Es gibt in Edenvale, so wie in vielen anderen Vierteln, die ich bis jetzt gesehen habe, keine Gehwege. Nur Straßen und Einfahrten, in denen die Wagen der Anwohner verschwinden. Denn man
geht hier nicht. Hallllllooo? Wie soll ich denn bitteschön damit klarkommen?!? Also laufe ich trotzdem, wo immer es sicher ist. Und ernte irritierte Blicke - natürlich von Leuten aus
Autos. Heute habe ich einen Arbeiter an einer Baustelle getroffen. Als er mich auf meinem Rückweg wieder vorbeistapfen sah, hat er mich doch recht freundlich ausgelacht und gesagt:
"Mädchen, Du läufst ja den ganzen Tag durch die Gegend!" Da war ich gerade mal 30 Minuten unterwegs.
Ich habe dank meiner wunderbaren Jozi-Führer … Jozi-Fahrer … so viel gesehen und dank der vielen Gespräche so viel erfahren. Im Moment habe ich gerade einmal den kleinen Zeh ins kalte
Wasser gestreckt. Der große Sprung steht noch aus.
Jozi bedeutet für mich: "Wie viele Gegensätze passen in einen Tag?" Eine ständige Heiß-Kalt-Dusche. Kalte Schauer beim Anblick all der Hochsicherheitsvorkehrungen und bei der Taxi-Fahrt
durch das Township Alexandra, bei dem roten Ampeln nicht - wie sonst - "parlé sind, sondern möglichst ignoriert gehören. Und gleichzeitig wird man mit viel Herzenswärme und völlig
selbstverständlich von Menschen, die man über Freunde oder Familie vermittelt bekommt, aufgenommen, eingeladen, unter die Fittiche genommen. So sitzt man wie selbstverständlich in einer
Bar und genießt den milden Abend. Bis man dann, natürlich mit Taxi, bzw. "uber car", den Heimweg antritt. Heiß und kalt. Aber so eine Kneippkur soll ja gesund sein!
Ein paar Tage bleibe ich noch in der wilden Stadt und versuche weiterhin ein paar Schwimmzüge (mit Schwimmflügeln) zu machen. Danach geht es zu den wilden Tieren in den Kruger Park. Die
Fahrt dorthin: natürlich über eine Jozi-Connection erhalten. Was sonst.
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Rike (Mittwoch, 14 Oktober 2015 20:33)
Kneippkur mit Schwimmflügeln - sehr coole Metapher :) Bin jetzt schon gespannt, wie es weitergeht und welche Bilder wir als nächstes sehen!
Denk weiter in alle Richtungen - denn es ist absolut möglich, dass jenseits der Wahrnehmung unserer Sinne ungeahnte Welten verborgen sind (A. Einstein).
Horsti (Dienstag, 10 November 2015 18:56)
.... wie Kneipenkur / Tour...
Wars wirklich so schlimm nach wieviel Wein / Bier ich hab des a nimmer so im Blick, aber Spaß hast doch gemacht...
Dafür war der Abschied gestern sehr ruhig und gemütlich mit wenig Fleisch...
Viel Spaß in Dubai.....