Puerto Natales, der Nationalpark Torres del Paine, das Wild Hostel und alle Menschen, die ich dort kennengelernt habe, haben mir für kurze Zeit ein wahres Zuhause gegeben. Das in einer Zeit, in
der ich die ersten Reiseerschöpfungserscheinungen gezeigt habe. Nach einigen Tagen spüre ich jedoch, dass ich nun ganz schnell weiterziehen muss, sonst würde ich am südlichen Ende der Welt wohl
noch hängenbleiben. Zum Glück wartet bereits das nächste Abenteuer um die Ecke: Mit der NAVIMAG-Fähre mache ich mich auf den Weg nach Puerto Montt (Chile) in 4 Tagen und 4 Nächten. In den ersten
2 Tagen quetschen wir uns zum Teil durch engste Fjorde: In einem besonderen Nadelöhr manövriert der Capitan unser 24 Meter breites Schiff durch eine 80 Meter breite Passage. Da sind trotz Wind
und Regen alle 80 Passagiere an Deck und drücken die Daumen. Jeden Tag gibt es eine Präsentation an Bord zu den Themen Kultur, Flora und Fauna dieser patagonischen Landschaft. Unser
"NAVIMAG-Animateur" sagt uns, wir werden Wale sehen, Delphine, Robben, jede Menge einheimische Vögel und Vulkane. Ach ja, und wann kommen die Dinosaurier? Der Ausblick rechts und links - ähhh
Steuerbord und Backbord - erinnert tatsächlich an Jurassic Park. Nach 2 Tagen erreichen wir den Golfo de Penas und beginnen unsere Passage über das offene Meer. Die nun bevorstehende rund
20-stündige Tour durch den Südpazifik ist nichts für Landeier: Bis zu 4 Meter hohe Wellen aus 10 Uhr schaukeln die Nautik-Neulinge ganz gut durch und machen das Gehen in engen Gängen, Duschen und
Mikado-Spielen eher schwierig. Das Klirren und Scheppern aus der Kombüse lässt mich vermuten, dass zum Abendessen wohl nur Müsliriegel und Chips serviert werden. Aber dann zaubert der Koch doch
noch eine Portion Spaghetti mit Sauce auf die Teller der Passagiere, die nicht schon in der Waagerechten liegen, sondern es zum Abendessen schaffen. Und unsere NAVIMAG ächzt und faucht und knarzt
sich weiter durch die Nacht und durch den Südpazifischen Ozean. Alle Menschen, die ich an Bord kennenlerne, sind extrem entspannt. Wer auf der NAVIMAG mitreist, muss in der Lage sein, sich im
positivsten Sinne zu langweilen: 8:30 Frühstück, dann ein bisschen UNO spielen, 12:30 Mittagessen, dann ein bisschen lesen und der spannenden Nachmittagspräsentation lauschen, 19:30 Abendessen.
Wer dann noch zum allgemeinen Übelkeitsgefühl beitragen möchte, kann ab 22 Uhr bei Karaoke mitmachen. Ich verbringe die meiste Zeit auf einem Fenstersims im Mensa-Raum, starre einfach nur aufs
Wasser und beobachte stundenlang die Wellen. Ich sehe ein paar Robben und Delphine in der Ferne und zu Beginn der Reise sogar zwei Buckelwale. Friede und Entspannung pur. Größte Freude und
Entertainment verschaffen mir jedoch die Albatrosse, die mit einer unvergleichlichen Eleganz mit ihren 3 Metern Flügelspannweite 20 cm über das Wasser gleiten und dabei keinen einzigen
Flügelschlag machen. Etwas schwerer - so lernen wir an Bord - hat es hingegen eine einheimische patagonische Ente: sie wurde von der Natur mit nur sehr kurzen Stummelflügelchen bedacht, was das
Fliegen unmöglich macht und ihr den Namen "die Nicht-fliegende Dampfschiffente" einbringt. Die Evolution hat dann allerdings dafür gesorgt, dass die Ente auf besonders großem Fuß lebt. Mit diesen
Riesen-Flossen kann die Nicht-fliegende Dampfschiffente so schnell laufen, dass sie über das Wasser rennt - und zwar mit einer Geschwindigkeit, mit der sie unsere 14 Knoten schnelle Fähre ganz
ohne Probleme abhängen kann. Am letzten Abend wird es dann doch noch mal spannend: Das gemeinschaftliche Mega-Highlight lautet "Bord-Bingo", bei dem ich doch tatsächliche ein T-Shirt … ääähhh
-Kleid… gewinne. Ich habe mir mal gedacht, dass ich diese Reise auch mache, um mich im Alter an all die schönen Dinge erinnern zu können. Quasi als Vorbereitung fürs Altersheim. Und einschlägige
Bingo-Erfahrungen können da natürlich auch nicht schaden.
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Rike (Sonntag, 29 November 2015 11:12)
Herzlichen Glückwunsch zum Board-Bingo-Gewinn (man beachte den Einsatz der Bindestriche!)!
Vielleicht kannst Du mir da bei Gelegenheit einschlägige Tipps geben... Man ist ja immer auf der Suche nach Einnahmequellen im Alter ;)
Meike (Sonntag, 29 November 2015 13:58)
Ahoi, Matrosin (jibbit da?)! Ich melde schon mal ein Kursangebot bei der VHS an: Bingo für Anfänger (Ü 75), Bingo für Fortgeschrittene (Ü 80 mit Hör- und Sehschwäche) und "Extreme Bingo" (mit 4-Meter-Wellen-Simulator).
Nadine (Dienstag, 08 Dezember 2015 21:06)
Hey Süsse,
klingt wahrlich nach ner abenteuerlichen Rentnerpartie. Ich freu mich, dass es dir gut geht und du es geniesst! Zimbabwe und Botswana waren unglaublich!! Schade, dass du nicht dabei warst. Bussi und gute Reise