La Boca ist gerne mal ein lautes Viertel. Zum Beispiel, wenn jedes Jahr am 12.12. Jung wie Alt Richtung Traditionsstadion "La Bombonera" strömt. Hier feierte einst Diego Maradona seine größten spielerischen Erfolge. Doch am 12.12. wird keine Mannschaft angefeuert. An diesem Tag feiert sich die CABJ-Fangemeinde, "der 12. Mann" hinter der Mannschaft, einfach mal selbst: Feuerwerk, Pfeifen, Hupen, scheppernde Musik. Da lässt sich der lärmerprobte Großstädter nicht lumpen! Aber auch der hundsgemeine Alltag von La Boca ist schon kräftig laut: Tagsüber, wenn die vielen Busse und Lastwagen mit stattlichen Geschwindigkeit über den kaputten Asphalt knallen und mit dem Donnern der Achsen und dem Fauchen der Motoren das Haus zum Beben bringen. Nachts, wenn die Straßen zur Grillparty- und Diskussionsmeile avancieren: Erst vor dem Haus auf der Straße Grill und Planschbecken aufstellen und zu fortgeschrittener Stunde die Betrunkenen und diejenigen, die etwas zu sagen haben (also die Betrunkenen), ins Feld schicken, um lautstark mit dem Kioskbesitzer nebenan über Gemüsepreise und Co. zu diskutieren. Vergleichsweise auf Samtpfoten schleichen hingegen die Polizeiautos Tag und Nacht nonstop durch La Boca. Auf Streife ist zwar immer das Blaulicht an, um zu erinnern "Wir sind hier, kommt bloß nicht auf dumme Gedanken". Martinshorn hört man hingegen eher selten. Auch wenn La Boca als kriminelles Pflaster von Buenos Aires in Verruf geraten ist, fühlen wir uns hier doch ziemlich sicher und wohl. Bei einem nächtlichen Streifzug durch den bunten La-Boca-Bezirk "Camilito" trifft man zwar an jeder Ecke etwas schmuddelig und finster aussehende Gestalten. Da man uns "Alemanas" seit einigen Tagen in dem Bezirk aber schon wahrgenommen hat, werden wir in der Regel freundlich gegrüßt und gewarnt, dass wir ja auf unsere Taschen aufpassen sollen. Im Moment ist es Dienstag, 20:15. Draußen vor dem Balkon unserer Wohnung formieren sich unsere Nachbarn. Es reicht! Es wird gescheppert, gerasselt, gehupt und gepfiffen, was das Zeug hält. Ein lautstarkes Zeichen des Protests. Denn seit Tagen fällt in den Häusern von La Boca immer wieder für mehrere Stunden oder auch Tage Wasser und Strom aus. Auch uns hat es in 3 Tagen zweimal erwischt: Zuerst gab es keinen Strom für 2 Tage. Dann war er plötzlich wieder da. Dann fielen Wasser und Strom gleichzeitig aus. Wie lange sowas dauert? Schwer zu sagen, meint unser Hausherr "Federico". Im Sommer kann sich der Zustand bis zu 2 Wochen hinzieht. Läden bleiben geschlossen, da Kühltruhen, Wäschereien und Waschanlagen nicht mehr laufen. Der ohnehin schon schwer muffige Bezirk stinkt 20 Blocks gegen den Wind bis nach "San Telmo" rein. Da wir "Touris" morgen schon wieder weiterreisen, können wir es gelassen nehmen: Wir freuen uns über den Gasherd, durch dessen Hilfe wir unser Abendessen vom Vortag aufwärmen können. Als Lichtquellen dienen Handy, ebook-Reader und Kerzen. Der 3. Advent ist ja auch schließlich schon durch. Und plötzlich, nach ungefähr 30 Minuten lautstarkem Protest auf der Hauptstraße, springen Licht und Stereoanlage gleichzeitig an. Wir hören, wie sich der Spülkasten der Toilette mit Wasser füllt. Und so langsam kehrt Ruhe ein in den Straßen von La Boca. Oder so was Ähnliches …
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