Stempel-Tourismus in Paraguay

Jesuiten-Reduktion in Trinidad (Paraguay)
Jesuiten-Reduktion in Trinidad (Paraguay)

Die Busfahrer im Südamerika sind ganz schön pfiffige Multitasker! Sie können gleichzeitig Tickets kassieren, mit dem Handy telefonieren, den Sitz zurechtrücken, die Hand zum Fluch erheben und ganz nebenbei den Bus lenken. Beim Restgeld rausgeben können sie manchmal nicht richtig rechnen. Aber: geschenkt! Und auch wir sind mittlerweile Profis mit dem Bus. Wir wissen uns geschickt ganz schnell irgendwo festzuklammern, wenn der Busfahrer losbrettert, obwohl man noch mit einem Bein draußen hängt. Denn sonst wird man womöglich aus der offenen Tür (die umweltfreundliche Klimaanlage) geschleudert. Wir wissen, wie man den Busfahrer ermutigt, uns an der nächsten Ecke rauszulassen. Nur wissen wir leider noch nicht so recht, wie man den Busfahrer dazu bringen kann, an der Grenze zu halten, was uns höchstwahrscheinlich ein Einreiseverbot nach Paraguay für die nächsten Jahre eingebrockt hat. Von Posadas (Argentinien) aus möchten wir als Tagesausflug Encarnación (Paraguay) ansteuern. Und bevor Südamerikakenner 'Hääää, wieso denn nach Paraguay?!' fragen: Okay, wir sind bekennende "Stempel-Touristen". Aber,  wir wollen uns auch ein Weltkulturerbe, die Jesuiten-Reduktion in Trinidad, ansehen. Mit dem internationalen Pendlerbus machen wir uns von Argentinien aus über den Río Paraná auf den Weg. An den Grenzstationen in Argentinien und Paraguay, an denen uns der Bus rausschmeißt, spielen wir das uns schon bekannte Stempel-raus-Stempel-rein-Spiel. Immer irgendwie ein bisschen anders, immer irgendwie ein bisschen verwirrend, aber bisher auch immer von Erfolg gekrönt. Auf der anderen Seite des Flusses, in Encarnación, dann erst einmal die Sinne sortieren. Denn hier ist schlagartig alles anders. Viele Straßen bestehen aus rotem Lehm und Sand. Alles, was in den Läden der Grenzstadt verkauft wird, sieht so aus, als ob es irgendwo vom Laster gefallen wäre. Die Häuser und Autos sind dreckig, rostig und heruntergekommen. Die hohe Luftfeuchtigkeit ist erdrückend und die Menschen wuselig. Aber glücklich! Sogar die glücklichsten und fröhlichsten Menschen weltweit. So zumindest das Ergebnis einer internationalen Studie. Ein optimistisches Volk angesichts des dort herrschenden Standards. Für uns - ganz ehrlich - kaum vorstellbar. Ich vergewaltige mal wieder aufs Äußerste die spanische Sprache, um den Stadtbus nach Trinidad zu finden. Doch es funktioniert und die Menschen nehmen es mir nicht übel. Beginnen sogar ein Gespräch über die sehr geschätzte Angela Merkel und fragen interessiert nach der Flüchtlingssituation in Deutschland. Kaum sind wir aus der Stadt raus, beginnt der Urwald. Die wahre grüne Hölle. Es ist schwül und heiß. Rechts und links der Straße sehen wir einen undurchdringbaren Mix aus unbekannten Laubbäumen, Nadelbäumen, Farnen, Lianen, Palmen, Gräsern, Mate-Feldern, Mango- und Papaya-Bäume … Nach einer Stunde kommen wir an den Jesuitenreduktion "La Santísima Trinidad de Paraná" an. Es ist beeindruckend, wie viel von der 1706 gegründeten Mission - Glockenturm, Kanzel, Taufbecken - noch erhalten ist. Wir sind fast die einzigen Besucher vor Ort, was den Gang durch das Weltkulturerbe mitten im Grün von Paraguay zu einem beeindruckenden und ruhigen Moment werden lässt.Auf dem Rückweg im Bus, den wir mal wieder professionell auf der Straße herangewunken haben, regnet es in Strömen. Endlich lässt die Schwüle nach. In Nullkommanix werden die Straßen zu rostfarbene Sturzbäche. Wir sind platt und wollen nur noch nach Hause, das heißt zurück nach Posadas, Argentinien. Der Bus passiert die Brücke über den  Río Pananá. Wir denken noch: 'Hmmm, war das nicht eben die paraguayische Grenzstation?' Aber wir tuckern einfach weiter bis zur argentinischen Grenze auf der anderen Seite des Flusses. Dort angekommen, machen uns die argentinische Grenzbeamten darauf aufmerksam, dass wir den Ausreisestempel von Paraguay verpasst haben. Ja, das haben wir auch schon befürchtet. Aber der Bus hat ja nicht angehalten. Alle Beteiligten - sowohl die Grenzbeamten, als auch Thurid und ich - nehmen's gelassen. Dann sind wir eben illegal ausgereist. Solange wir nicht wieder nach Paraguay einreisen wollen, interessiert es nicht, und sobald wir einen neuen Reisepass haben, ist die Sache vom Tisch, denn elektronische Datenerfassung gibt es dort nicht. Und bei unserer anstehenden Einreise nach Brasilien schmeißen wir uns an der Grenze eben einfach aus dem fahrenden Bus. Vielleicht stehen deshalb auch die Türen immer offen…

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Kommentare: 2
  • #1

    Frank (Montag, 28 Dezember 2015 18:00)

    So, so illegal.....
    Es gibt übrigens nur eine Grüne Hölle - und die ist in der Eifel...)))

  • #2

    Meike (Mittwoch, 30 Dezember 2015 18:25)

    Na also, endlich!!! Ich hab schon die ganze Zeit auf diesen Kommentar gewartet. (-: