Laid-back an der Copacabana

Copacabana in Rio de Janeiro (Brasilien)
Copacabana in Rio de Janeiro (Brasilien)

Es gibt viele Länder, die von sich behaupten, das Land des Lächelns, das Land der Freude oder einfach nur voll extrem nett zu sein. Brasilien würde ich dieses Zeugnis auf Anhieb ausstellen. So viel herzlich angelacht, fröhlich angestrahlt und hilfsbereit ange-kauderwelscht (englisch-portugiesisch-spanisch) wurden wir schon lange nicht mehr! Nach unglaublichen 25 Stunden Busfahrt, in denen ich sagenhafte 15 Stunden geschlafen habe, kommen wir am heiligen Nachmittag in Rio de Janeiro an. Die ersten beiden Tage verbringen wir in einer Favela direkt hinter den Hochhäusern der Copacabana. Die Favela ist erfolgreich befriedet. Das heißt: hier achten nicht korrupte Gesetzeshüter darauf, dass die Drogengeschäfte nicht mehr mit Waffengewalt auf offener Straße, sondern nur noch ohne größere Vorkommnisse hinter verschlossenen Türen stattfinden. Es funktioniert. Zumindest in der Favela von Leme. Denn für uns ist die Zeit dort wirklich friedlich, freundlich und extrem laid-back. Das Leben in Rio fühlt sich tatsächlich so gechillt an, wie es Tom Jobim in seinem Bossa-nova-Klassiker "Girl from Ipanema" einst musikalisch manifestiert hat. Und was soll man auch groß machen, wenn 36 Grad auf dem Thermometer stehen, die sich allerdings wie über 40 Grad anfühlen… Erst einmal ankommen, der Wäsche beim Trocknen zusehen (ohne Witz - geht ratzfatz!) und in dem wunderbar klaren Wasser am Copacabana-Strand Wellenbad spielen. Bevor jetzt die ersten Bilder von brasilianischen Strand-Beautys eingefordert werden, sollte Folgendes klargestellt sein: An den Stränden der Copacabana und von Ipanema sieht man wirklich ALLES: Von Schönheiten bis Scheußlichkeiten, von Wunderbusen bis Wabbelbauch, von Miss-Wahl bis Walross! Alle Generationen unterschiedlichster ethnischer Herkunft mit sämtlichen Konfektionsgrößen kommen zum Jahresende an den Stränden von Rio zusammen. Irgendwie passt hier jeder rein. Auch wir fallen endlich mal nicht mehr auf, wenn wir so dasitzen, Kokosnusswasser aus der Originalfrucht schlürfen, unbekanntes exotisches Obst essen oder Caipi für umgerechnet 2 Euro 50 verkosten. Nach 2 Tagen ziehen wir eine gute Reihe weiter nach vorne in Richtung Copacabana zu meinem lieben Schulfreund Marc und seiner Frau Lu, die uns auch endlich dazu animieren, den Rest der tollen Stadt von Rio zu erkunden. Den Tagesrucksack um den Hals geschwungen, die Träger dreimal ums Handgelenk gewickelt und alles wie einen Dudelsack rechtsseitig an den Körper gepresst (sicher ist sicher!) machen wir uns auf in die wunderschönen botanischen Gärten und Parks der Stadt. Denn hier fühlen sich die 36 Grad auch tatsächlich "nur" wie 36 Grad an. Es ist fast egal, wo man sich in Rio befindet: überall sieht man auf ein und denselben Blick klare Gewässer, verlockende Grünanlagen und steile Felsen. Fast schon ein Naturerlebnis. So richtig großstadt-hektisch ist es nur in der mit belebten Märkten übersäten Altstadt mit europäisch-historischem Flair. Hier sieht man auch ausnahmsweise ein weniger freundliches Gesicht von Rio: Z. B. eine halbnackte Crack-Prostituierte, die hochschwanger und benommen auf der Straße rumtorkelt und mit sich selbst lautstark ein Streitgespräch führt. Oder Werktag-Obdachlose, die Montag bis Freitag in den Straßen der Altstadt übernachten, da das tägliche Busticket hin und zurück zu ihrem Zuhause am Stadtrand bei der geringen Bezahlung einfach zu teuer ist. Über all diesem Geschehen wacht die 30-Meter-hohe Christus-Statue: "Cristo Redentor" ist nicht nur DAS Wahrzeichen von Rio, sondern auch 1a Orientierungshilfe, denn Christus kann man in Rio so gut wie überall sehen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum die "Cariocas", wie sich die Einwohner von Rio nennen, so freundliche und ausgeglichene Gemüter haben. Selbst alte Wunden können dem nichts anhaben. Sobald man hier nämlich mitbekommt, dass wir aus Deutschland sind, wird uns immer wieder "Ohhhh, 7:1, 7:1!!!" entgegengeschmettert. Das Ganze - wie sollte es anders sein - mit einem riesen großen Lachen im Gesicht und oft begleitet durch ein anerkennendes Schulterklopfen. Wirklich bemerkenswert! In punkto Lebensfreude sind die sonnigen Gemüter von Rio unangefochtene, ewige Weltmeister. 

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Kommentare: 1
  • #1

    Micha (Donnerstag, 07 Januar 2016 08:13)

    Du schreibst so herrlich lesefreundlich. Das macht Spaß! Weiterhin viel Spaß und Erkenntnisse!