Dieser Weg wird kein leichter sein. Dieser Weg ist steinig und schwer. Aber er lohnt sich! Wer ein Stück vom Paradies abhaben möchte, muss es sich verdienen. 90 Prozent der Straßen von Costa Rica bestehen aus Schotter, Schlaglöchern und Staub. Als die große weite Welt auf den Trichter gekommen ist, wie schön Costa Rica ist, und seitdem in den Ferien hier herströmt, haben sich die Einheimischen vehement dagegen gewehrt, die (meisten) Straßen zu teeren. Richtig so! Für die 140 Kilometer lange Fahrt mit dem "local bus" von San José nach Santa Elena (Monteverde Cloud Forest Reserve) lerne ich also gleich mal eine realistische Reisezeit von 4,5 Stunden anzusetzen. Der Aufstieg zum Cerro Amigo (1.842 Meter), dem höchsten Berg in diesem grünen Paradies, ist nicht weniger anstrengend und weckt Großglockner-Erinnerungen. Auf 30-Grad-(plus) steilen Lehmwegen geht es auf direktem Weg gnadenlos bergauf. Schmetterlinge tänzeln über den Schotter und scheinen einem beibringen zu wollen, dass jeder Berg im Leben zu schaffen ist, wenn man nur zu fliegen lernt. Und wenn man am Morgen eine ordentliche Portion "Gallo Pinto" - das Nationalfrühstück - hatte: gebratener weißer Reis und Bohnen, Rührei, Tortilla und Kochbanane. Das beflügelt. Oben angekommen belohnt ein wolkenloser Blick auf den "Vulcano Arenal", dem aktivsten Vulkan Costa Ricas, und ein Nickerchen im Schatten. Ein bisschen Ruhe zur richtigen Zeit muss sein, denn am nächsten Tag geht es schon weiter Richtung "La Fortuna", die nächste Stadt zum Vulcano Arenal und seinem inaktiven kleinen Nachbarn "Cerro Chato". Letzterer zeigt mir, dass alles bisher Erklommene "Kinderteller" war. Als ich die geführte Tagestour mit dem Titel "extreme hike" auf den Cerro Chato buche, denke ich noch: jaja, extrem hike… mal wieder so ein Marketing-Jargon. Schnell wird klar: nee, nee, nee, die meinen das ernst. Über einen Weg, der seinen Namen als solchen nicht verdient hat, schleppen, ziehen und klettern wir steile Lehmwände mit vollem Körpereinsatz hinauf. Dankbare Stopps gibt es, sobald uns die Flora und Fauna der Gegend einen Besuch abstattet: kreischende Tukane, riesige Schmetterlinge und schwarze Truthähne segeln durch die Luft. In den Baumwipfeln sieht man mit Glück Faultiere, Olingos und Kinkajous. Ameisen, Vogelspinnen und grüne Buschvipers tummeln sich am Boden. Deshalb heißt es auch immer schön Obacht, wenn man sich irgendwo festhalten möchte, um sich weiter Richtung Gipfel vorzuarbeiten. Doch der Gipfel ist noch lange nicht das Ziel. Oben angekommen lautet die Devise: "Wecke das Kind in Dir". Noch steiler als bergauf geht es ab jetzt bergab in Richtung Vulkankrater. Über glitschige Wurzeln gleiten wir "arschlings" ('tschuldigung) hinab. Wer nicht dreckig wird, macht etwas falsch. Die Schwerkraft wird dem eine oder anderen zum Verhängnis, aber zumindest schaffen wir es alle unbeschadet bis zum Kraterinneren. Hier erstreckt sich ein wunderschöner ruhiger See, der zur Belohnung und mittelfristigen Reinigung gleich mal für ein Bad herhalten muss. Dass es hier von Blutegeln nur so wimmelt, erfahre ich glücklicherweise erst ein Tag später. Beim Weg hinaus aus dem Krater und dem Abstieg auf der anderen Seite des Cerro Chato werden verbleibenden Kräfte mobilisiert. Denn wir alle freuen uns auf den letztem Tagesordnungspunkt dieser Tour: Ein Bad in den natürlichen heißen Quellen (Natural Hot Springs) von La Fortuna. Im Dunkeln arbeiten wir uns barfuß über glitschige Felsen und reißende Ströme zu einem kleinen warmen Pool vor. Einige Badende, die vor uns da waren, haben Kerzen aufgestellt. Und so lecken wir unsere Wunden und pflegen die müden Gelenke bei schummrigen Licht im 40 Grad warmen Wasser. Über uns die Baumkronen des Mischwaldes und der sternenklare Nachthimmel. Trotz des ausgiebigen heißen Bades schmerzen am nächsten Tag Muskeln, von den ich noch nicht einmal wusste, dass ich sie habe. Meine Beine zählen weitere Schrammen und meine Wäsche stinkt erbärmlich. Es ist GROSSARTIG! Ich kann nicht fassen, dass dies erst der Anfang von meinem Costa-Rica-Aufenthalt ist. Next stop: Playa Santa Teresa. Entfernung: 150 km. Reisezeit: 10 Stunden ...
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Peter (Samstag, 23 Januar 2016 17:52)
Lovely entry - I enjoy your description. Fondest regards from "The African Wilderness".