Stille Ovationen bei Sonnenuntergang

Santa Teresa (Costa Rica)
Santa Teresa (Costa Rica)

Seit Santa Teresa bin ich mir sicher: Die beste Perspektive aufs Leben hat man von einer Hängematte aus. Alle überflüssigen Gedanken, alle Sorgen und Probleme rieseln durch das Netz unter mir und  verbinden sich als winzige Sandkörner mit dem Rest des riesigen Strandes. Was übrig bleibt, ist mein ungefiltertes Ich. Und in diesem Ich steckt - wer hätte das gedacht - auch ein Beach Babe! Schon am ersten Tag in Santa Teresa lasse ich mich von den entspannten Vibes dieses Surfer-Hippie-Dorfes anstecken und verlängere meinen eigentlich 3-tägigen Aufenthalt um eine weitere Nacht. Am zweiten Tag buche ich schnell mein nächstes Busticket und Hostel-Zimmer, um sicherzustellen, dass ich auch wirklich weiterziehen werde. Ansonsten laufe ich eindeutig Gefahr, den Rest meiner geplanten Costa-Rica-Zeit (oder länger?) in diesem kleinem Ort an der Pazifikküste zu versacken. Damit befinde ich mich durchaus in guter Gesellschaft, denn in Santa Teresa wird jeder Reisender zum "Nachsitzer", "Mehrfachtäter" oder komplett "Hängenbleiber", wie so viele Israelis, Argentinier und Deutsche, die hier Restaurants, Cafés oder Surfshops eröffnet haben. Auch ich überlege, Surfstunden zu nehmen … oder Quad zu fahren … oder eine "Canopy Tour" zu buchen... Aber, ganz ehrlich: Ich habe keine Lust. Verspüre keinen Drang nach einer geplanten Aktivität. Bin nicht bereit für einen vorgegebenen Termin am Tag. Mein Lebensmotto für Costa Rica lautet: The best plan is to have no plan. Because then, anything can happen. Jeden Morgen lasse ich mich gegen 6 Uhr von dem Geschrei der Affen wecken, die eher wie Löwen mit Verdauungsproblemen klingen. Zum Frühstück gibt es nette Gespräche mit anderen Reisenden und einen selbstgemachten Smoothie (Karotte, Maracuja, Banane, Orange, Eiswürfel und etwas Milch - unschlagbar). Eichhörnchen und Gekos huschen über die Holzdielen der Außenküche meines Hostels. Den Tag bestreite ich durchgängig mit Bikini, Shorts und Flip-Flops im Radius meiner Komfortzone - die in etwa 300 Meter beträgt. In Santa Teresa, das quasi nur aus einer 5 Kilometer langen Schotterstraße und parallel verlaufendem Beach besteht, führen alle Wege Richtung Strand. Dort liege ich vorzugsweise in der Hängematte und döse oder lese, ich jogge, schwimme oder beobachte meine Lieblingsvögel: die Pelikane. Man nennt sie "the Costa Rican Army", weil sie in Form eines Geschwaders auftreten. Sie segeln rund 5 Meter über dem Meeresspiegel und sobald sich ein Fisch vor ihre "Adleraugen" (okay, der Vergleich hinkt etwas) verirrt, rammen sie volle Kanone steil hinab in die seichte Gischt und tauchen mit etwas Glück mit Fisch im Schnabel auf. Apropos Glück … Auch von den Costa Ricanern heißt es, dass sie die glücklichste Menschen der Welt wären. Anders als bei den Menschen aus Paraguay kann ich mir auch durchaus vorstellen, warum das so ist. Hier meine Top-3-Theorien: 1.) Weil es in Costa Rica die weltweit besten "Batidos" (Smoothies, Säfte, Milkshakes) gibt; 2.) Weil es in Costa Rica zum guten Ton gehört, sich immer freundlich anzulächeln und zu grüßen, wenn man Augenkontakt hat. 3.) Weil man in Costa Rica einen Grad von Entspannung, Loslassen und Planlosigkeit ausleben kann, wie ich ihn bisher noch nicht am eigenen Leib erfahren habe. Wobei, einen festen Termin plane ich dann doch jeden Tag aufs Neue ein. Der ist um genau 17 Uhr 37: Sonnenuntergang am Strand von Santa Teresa. Hier versammelt sich das ganze Hippie-, Surfer- und Reisevolk. In stillen stehenden Ovationen zollt ein jeder dem sich zu Ende neigenden Tag Tribut. Vor einer Weile hätte ich mich wohl noch gefragt, womit ich all das verdient habe. Doch solche Gedanken kommen mir hier nicht. Ich nehme alles, was ich erlebe, als Geschenk an. Im letzten Momenten, in dem die Sonne noch als Streifen am Horizont in den Augen kitzelt, stehe ich auf, stelle mich zu den anderen. Ich verneige mich vor dem Tag und sage im Stillen Danke.

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Kommentare: 2
  • #1

    Rike (Donnerstag, 21 Januar 2016 14:14)

    Hallo Beach Babe, was für ein gechillter und schöner Beitrag ... Da geht man gleich mit gelassener Stimmung durch den Tag:)
    Toll, dass es Dir so gut geht. Weiter so und viel Spaß bei der mittelamerikanischen Planlosigkeit!

  • #2

    Tio Axel (Montag, 25 Januar 2016 03:19)

    Hola sobrina favorita Meiki,

    Deine Blogs sind herzerfrischend und tiefgehend ... Du solltest Lebens-Philosophin werden ... ich meine das ernst ...

    hier in Cancun (Deinem nächsten Stop) wird es langsam wieder wärmer ... der Kälteeinbruch ist scheinbar erst einmal vorbei ... wenn nichts von der Nordost-Küste der USA zu uns herunterkommt ...
    bei mir geht die Sonne "auf" ... über der Karibik ... auch das wirst Du lieben ... Pelikane (auch in Formation) haben wir auch ... und darüber fliegen Fregattenvögel ... die heißen so, weil sie anderen Vögeln das Fressen klauen ... genauso wie Piraten-Fregatten, die anderen Segelschiffen auch alles geklaut hatten ... "selber machen" ist nicht so deren Philosophie ... Piratenschiffe haben wir hier auch ... die kommen jeden Tag zur gleichen Stunde zum Angriff hier vorbei ... nachts beleuchtet ... komisch, da können wir viel besser zielen ...

    bis in zwei Wochen ... wenn ich dann schon wach bin (11 Uhr morgens), hole ich Dich auch vom Flughafen ab ... geniess das Leben weiterhin ... ich freue mich wahnsinnig auf Dich ...
    Bussis von Deinem Tio Axel