Ein Tipp an alle großen Unternehmen da draußen: Man sollte mal überlegen, das nächste Management- und Führungskräfteseminar nicht in New York oder auf Mallorca abzuhalten, sondern in die Hauptstadt von Vietnam zu verlegen. Denn in Hanoi kann man noch wahre Management-Qualitäten trainieren. Wer bei diesem irrwitzigen, nicht abreißenden Fluss von Motorrollern und Autos die Straße überqueren möchte, muss ein hohes Maß an Durchsetzungsvermögen an den Tag legen: Rücken straffen, Kopf gerade und mit selbstbewusstem langsamen Schritt ungeachtet des Verkehrs einfach drauflosgehen. Im Prinzip gelten dieselben Regeln wie bei kanadischen Bären: Wer Angst zeigt, sich totstellt oder losrennt, hat verloren. Hanoi ist definitiv nichts für nervöse Gehwegdribbler, denn das Leben findet auf der Straße statt. Um genau zu sein: auf Kniehöhe. Das Altstadtbild ist geprägt von Menschen, die in den engen Gassen auf mini-kleinen bunten Plastikhockern sitzen und dort so ziemlich sämtlichen Aufgaben des Alltags nachgehen. In einer Ecke werden Haare geschnitten und frisiert und Bärte getrimmt. Ein paar Hocker weiter wird Fleisch gehackt, Ananas kunstvoll geschnitten und Essen in großen Blechkesseln gebruzzelt. Ein paar Meter weiter werden Messer geschliffen, Schuhe repariert oder Lotto-Karten vertickt. Und immer wieder schießen Motorräder, Rikschas und Autos über den heißen, mit wildem Kabelsalat überdachten Asphalt. Mal wieder scheint mir "sich treiben lassen" die beste Methode, um dieses Altstadt-Getümmel zu erfahren. Zum Schutz von Hab und Gut greife ich auf die bewährte Dudelsack-Methode zurück: Die Träger des Tagesrucksacks auf maximale Länge stellen, mit dem Kopf durch einen Träger durchschlüpfen, sodass der Rucksack auf einer Seite baumelt. Mit Oberarm und Ellbogen den Rucksack an den Körper pressen - wie bei einem Dudelsack. Mit dem Handgelenk desselben Arms durch den zweiten Träger schlüpfen, einmal drumwickeln, und bei Bedarf das Ende des Trägers in der Faust fixieren. Auf diese Weise ist das Risiko, beklaut zu werden, minimiert und die Auflage- und Schwitzfläche des Rucksacks um bis zu 60 % reduziert. Je länger ich durch die Straßen flaniere, erkenne ich die Organisation hinter dem scheinbar chaotischen Treiben, denn die Läden folgen einer thematischen Anordnung: In einer Gasse gibt es ausschließlich Schmuckläden, in der nächsten Gewürze, ein Stückchen weiter Medizin (zunächst für mich kaum von Gewürzen zu unterscheiden), in der nächsten Ecke nur Kindersachen, Blech- und Metallverarbeitung - ein ziemlich gut organisiertes System! Und dann die Straßen mit dem leckeren Streetfood und den vielen Restaurants und Cafés! Den mit Kondensmilch gesüßten Kaffee lerne ich schnell lieben und jeden Tag probiere ich ein neues vegetarisches Gericht mit unbekanntem grünen Gemüse. Wie man trotz der vielen kulinarischen Leckerbissen nicht kugelrund wird, kann man sich bei den tüchtigen Einheimischen abgucken: Rund um den Stadt-See "Ho Hoan Kiem" wird zu jeder Tages- und Nachtzeit Volkssport betrieben. Besonders ältere Menschen trifft man hier beim gemeinschaftlichen Joggen und dynamischer Gruppengymnastik. Ein für mich typisch asiatisches Bild, denn das Gruppenverhalten ist hier - aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte - besonders ausgeprägt. Genauso wie die gegenseitige Unterstützung und Hilfsbereitschaft Fremden gegenüber. Vielleicht ist das auch noch so eine Lektion, die man in Vietnam lernen kann: Wahrer Teamgeist!
Wie bringt man einen Balinesen zum Lachen? - Lies ihm einfach aus unserer 70-seitigen Straßenverkehrsordnung vor! Schon bei meiner Ankunft in Denpasar stelle ich fest, dass die Balinesen die wildesten, kreativsten und zugleich besten und aggressionsbefreitesten Auto- und Motorradfahrer sind, die ich je gesehen habe. Die Beladungslast eines Mopeds wird bis zu 300 Kilogramm mit Mensch, Tier, Lebensmittel und Hausrat ausgereizt. Fahrspuren werden als lustige kleine Verzierungen des Straßenbelags angesehen. Und ob jetzt Links- oder Rechtsverkehr herrscht, darauf hat man sich auf Bali wohl noch nicht endgültig geeinigt. So gewöhne ich mich an das Bild, wie sich ein Moped mit Kleinfamilie an Bord seelenruhig auf der Gegenfahrbahn dem herannahenden LKW nähert. Der hintere Beifahrer schneidet dem Vordermann noch gemütlich die Haare, während dieser mit einem Ruhepuls von unter 60 im scheinbar letzten Moment auf seine Fahrbahn zurückzieht. Diese Gelassenheit, so denke ich mir, kann nur vom Meditieren kommen. Alles ist im Fluss … Und auch sonst hat für mich Bali mit Hektik ungefähr genauso viel zu tun wie Nudelsalat mit Schuhcreme. Eine Woche lang verbringe ich an einem ruhigen Rückzugsort im Norden von Bali in Bondalem und schaffe mir Freiraum vom Unterwegs-Sein und Leere im Kopf. Jeder Morgen beginnt vor dem Frühstück mit Yoga, um den durch die vielen Hostel-Betten krummgeschlafenen Rücken zu stärken. Statt Mittagessen gibt es für mich eine Massage auf balinesische Art. Und vor jedem Abendessen findet sich ein kleines Grüppchen zusammen, um beim 20-minütigen "stillen Sitzen" die Gedanken abzuschalten. Für manch einen mag diese Übung wie Folter klingen, aber ich genieße es, mir jeden Tag den Luxus des bewussten Nix-Tuns und Nix-Denkens zu gönnen. Bin neugierig auf die Entspannung und die Leere, die dadurch im Kopf entstehen. Leere als Luxus - klingt wahrscheinlich auch für manch einen komisch, da bei uns das Glas ja immer (halb) voll sein muss. Aber eine leere Parklücke, ein leerer Wäschekorb oder ein leerer Posteingang bei der Arbeit sind ja auch nicht gerade schlecht. Denn das zeigt, dass man etwas geschafft hat, dass man etwas abhaken konnte und das nun Platz für Neues ist. In meinem Fall: Platz für weitere Eindrücke und Erlebnisse. Und den brauche ich für meine Ausflüge auf der indonesischen Insel. Es ist so heiß, das mir Schlendern schon wie ein Sprint vorkommt. An jeder Straßenecke steigt mir die markante Mischung aus Gerüchen von verbrennendem Plastik-Müll, Kochstellen auf offenen Straße, Räucherstäbchen, Motorrad-Abgasen und von der äußerst übelriechenden Dorian-Frucht in die Nase. Auf den Märkten und vor den buddhistischen Tempeln wird gehandelt und gezerrt. Besonders mit Touristen. Aber das aggressive Feilschen lässt dennoch keine Zweifel über den feinen und edlen Charakter des balinesischen Volks kommen. Die Menschen glauben an Karma - das Konzept von Handeln und Folge, Tat und Wirkung: Gutes Handeln, Denken und Leben hat einen positiven Effekt - insbesondere für den Akteur selbst. So lohnt es sich also für jeden, seine Pflicht als guter Mensch zu erfüllen. Und was so einfach klingt, muss einfach stimmen. Ich muss gestehen, viel rumgekommen bin ich auf Bali nicht, habe nur einen kleinen Teil der schönen Strände und der üppigen, grünen Vegetation gesehen. Aber ich habe dennoch mehr erlebt, als ich mir unter einer Woche Halbpension vorgestellt hatte. Vor allem die Erkenntnis: Wer sich (auf Bali) stressen lässt, ist selbst Schuld.
Die Broken-Windows-Theorie beschreibt in der Psychologie das Phänomen, dass Unordnung und Kriminalität in einer Gemeinschaft ursächlich miteinander verknüpft sind. Wo physischer Verfall (kaputtes Fenster) herrscht, lässt moralischer Verfall nicht lange auf sich warten. Oder anders herum: sauber gleich sicher. Singapur ist für dieses Phänomen geradezu ein Paradebeispiel! Wie gemeinhin bekannt wird Kaugummi ausspucken, Müll auf die Straße werfen und essen und trinken in öffentlichen Verkehrsmitteln mit bis zu mehrere Hundert Singapur-Dollar geahndet. Wie es richtig geht, wird im Rahmen einer "Freundlichkeitskampagne" in der Metro demonstriert: An den Scheiben springen Vorschläge ins Auge wie "Bring' Deinen Kollegen doch mal einen Kaffee mit ins Büro!" oder "Deine Bestellung im Restaurant wurde falsch gebracht? Bleib trotzdem höflich!" oder "Den schweigsamen alten Mann in der Bahn kannst Du ruhig grüßen!" So. Und jetzt versuch' mal nach dieser Charme-Offensive aus der Bahn zu steigen und den nächstbesten Opi k.o. zu schlagen oder einen Mülleimer in Brand zu stecken. Gar nicht so einfach. Die "Zero-Tolerance-Politik" geht in Singapur auf. Nach diversen Stopps in den letzten Monaten, bei denen ich sicherheitstechnisch auf der Hut war, fühle ich mich bei meinem ersten Asien-Ziel so wohlig und sicher wie in einem Wattebausch. Und wenn etwas mal nicht tip-top läuft: "Wie apologize for any inconvenience caused!" Das Konzept Singapur kann ohne Zweifel nur deshalb so gut funktionieren, da der junge Staat eben nur aus einer Stadt mit besonderer Entstehungsgeschichte besteht: Einst als strategisch wichtiger Hafen gegründet wurde Singapur nicht ganz freiwillig nach dem Zweiten Weltkrieg, angeschlagen durch furchtbare Verluste, in die Autonomie getrieben. Doch der heutige Stadtstaat witterte in der Not die Chance und setzte eisern und erfolgreich seine Vision eines sicheren, attraktiven Tors für die Welt nach Asien für Handel und Business um. Konkret heißt das heute: Für global agierende Unternehmen ist Singapur ein wichtiger Standort. Als Expad darf nur kommen, wer eine gehobene Position mit einer ordentlichen Bezahlung hat. In Singapurs Marina tummelt sich buchstäblich ein Meer von Schiffen mit Waren aller Art. Da Singapur keine eigenen Güter produziert, werden tatsächlich alle Produkte, Lebensmittel bis hin zum Trinkwasser importiert. Hier lässt Singapur nur das Beste vom Besten rein. Genauso verhält es sich mit städtischen Institutionen und Systemen, beispielsweise der Metro: Adaptiert und perfektioniert wird, was sich in einem anderen Land bewährt hat. Kurz gesagt, egal wo man sich in Singapur umschaut, die Qualität lässt keine Wünsche offen. Das mag jetzt alles ein bisschen steril klingen oder unnatürlich. Und es stimmt, wenn ich die Rolltreppe an der Metrostation "Raffles Place" hochfahre, beschleicht mich das Gefühl, Teil einer "Trueman Show" zu sein: Als ob jemand im Regie-Raum dieser perfekten kleinen Downtown-Welt sitzt, über Funk letzte Anweisungen an die Statisten gibt, die Hintergrundmusik hochfährt und "Action" sagt. Man merkt, dass Singapur schön gemacht wurde. Aber trotzdem wirkt es auf mich nicht künstlich. Der Luxus, mit dem Singapur zweifelsohne aufwartet, wird bei weitem nicht so aggressiv zur Schau gestellt, wie ich es in Dubai empfunden habe. Obwohl auch Scheichs hier durchaus auf ihre Kosten kommen würden. Auf der Orchard Road findet sich eine riesige Dichte von schier unglaublichen Shopping Malls. Auch hier gilt: Alles vom Feinsten. Prada, Gucci, Versace ... Alle Luxusmarken präsentieren sich auf der Einkaufsmeile gleich in mehrfacher Ausführung. Neben jedem Starbucks ein Rolex-Laden. Gibt es den Prada-Pulli nicht in der richtigen Größe, geh' zum nächsten Store eine Ecke weiter. Singapur ist nichts für Leute mit kleinem Geldbeutel. Oder mit Höhenangst. Ein beeindruckender Teil des Lebens der "Vertical City" findet über dem 50. Stockwerk statt, wie beispielsweise auf der atemberaubenden Rooftop-Bar "one altitude" auf Level 62 mit Blick über die Marina. Aber Singapur kann auch auf "ground floor"-Ebene beeindrucken: In China Town beispielsweise, wo mich die Mönche im Relic Tooth Tempel mit ihren Didgeridoo-artigen Gesänge wieder erden. Oder in Little India, wo sich schlagartig die Gerüche und Verkehrsregeln ändern. Der Linksverkehr ist hier meine kleinste Sorge ... Oder im Botanischen Garten, in dem Singapurianer mit Sonnenschirm und Selfie-Stick bewaffnet zur Ruhe kommen oder ihrem morgentlichen Outdoor-Fitness-Programm von Tai Chi über Schwert- und Fächertanz bis hin zu Cha-Cha-Cha nachgehen. Und die Moral von der Geschicht'? Singapur ist ein bis in jede Spitze erstklassig umgesetztes, perfektes Konzept. Und was kann man da schon bemängeln? Außer eben, dass es perfekt ist.